Der Brexit und die Arbeitsmigration

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Nicht der befürchtete Grexit, der Austritt Griechenlands aus der Eurozone, sondern der Brexit Großbritanniens ist seit dem 23. Juni 2016 das größte Problem der EU. Die Union löst sich nicht von ihrer Peripherie her auf, der Bruch geht vielmehr durch ihre Mitte. Mit Großbritannien geht ein kerneuropäisches Land, denn anders als oft behauptet, hat London seit seinem Beitritt 1973 die europäische Agenda stets entscheidend mitbestimmt. Wie kein zweiter Mitgliedstaat verfolgte es eine Politik der Deregulierungen und Privatisierungen, forcierte es die Osterweiterung und drängte es auf eine aktive militärische Rolle der EU weltweit.[i]

Der Brexit ist der bisher schwerste Schlag gegen das Projekt einer „immer engeren Union“. Die EU verliert damit eines ihrer wichtigsten Länder. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 2.569 Mrd. Euro in 2015 ist Großbritannien nach Deutschland mit 3.026 Mrd., aber noch vor Frankreich mit 2.184 Mrd. Euro, die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der EU. Es gehört mit 64,9 Millionen zu den bevölkerungsreichsten Staaten der Union. Neben Frankreich ist es das zweite EU-Mitglied mit einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Kaum zu überschätzen ist sein Ausscheiden für die Zukunft der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU. Seine Rüstungsindustrie ist hochentwickelt und der britische Rüstungskonzern BAE ist eine der wichtigsten Waffenschmieden der Welt. Großbritanniens Armee zählt zu den international kampfstärksten. Auf all das wird die EU künftig verzichten müssen.

Mit dem Ausscheiden Großbritanniens verschieben sich die politischen Gewichte innerhalb des Staatenbündnisses. Noch vor dem Referendum schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): „Das bisherige Kräfteverhältnis im EU-Ministerrat, in dem die Briten bisher eine bisweilen sperrige, aber immer wettbewerbs- und freihandelsorientierte Rolle einnehmen, verschöbe sich bei einem EU-Austritt spürbar zu Gunsten jener Länder, die in der EU tendenziell für Umverteilung und Protektionismus stehen. Deutschland, das bei aller Unschärfe dieser Kategorisierung immer noch eher auf der Seite von Markt und Wettbewerb steht, dürfte dann erhebliche Schwierigkeiten bekommen.“[ii] „Deutschland ist der größte Verlierer“, so lautete denn auch das Resümee des Ökonomen Hans-Werner Sinn nach dem Brexit.[iii]

Zu den Verlierern gehören aber auch die USA. Washington hatte sich offen und unverblümt in den innerbritischen Streit eingemischt. Bei einem Besuch in London im April 2016 hatte Barak Obama klargemacht, dass die Vereinigten Staaten entschieden gegen einen Austritt sind. Im Hintergrund stand das Interesse der US-amerikanischen Finanzindustrie am Erhalt der City of London als zentraler europäischer Handelsplatz, denn hier findet sie ideale Bedingungen: Ein günstiges, d.h. nur schwach reguliertes Umfeld, Consultingfirmen aller Art, große internationale Anwaltspraxen, hochqualifizierte IT-Spezialisten und das alles unter Nutzung der gemeinsamen englischen Sprache. Da verwundert es nicht, dass „Goldman Sachs viele tausend Euros an die Initiative ῾Britain Stronger in Europe῾ zahlte. GP Morgan und die Bank of America taten es ihnen gleich.“[iv]

Das Ja zum "Leave" war nur möglich dank der Spaltung der herrschenden Klasse des Landes. Angeführt wurde die Austrittskampagne von der rechtspopulistischen UK Independence Party (UKip) unter Nigel Farage sowie von einer starken Minderheit in der Konservativen Partei mit Boris Johnson und Michael Gove an ihrer Spitze. Diese Kräfte machten die seit Jahren hohe Arbeitsmigration, vor allem aus den anderen EU-Staaten, zum zentralen Kampagnenthema, da nur durch einen Austritt das Land seine Souveränität in den Fragen der Einwanderung zurückgewinnen kann. Viele Kritiker des Brexits nehmen nun dies zum Anlass, den Befürwortern des "Leave" pauschal Hass auf Ausländer, ja Rassismus vorzuwerfen. So etwa der Sozialwissenschaftler Michael R. Krätke: „Die Hasskampagne der Europafeinde, die in den letzten Wochen ihr gesamtes Feuer auf die ῾verdammten Ausländer῾ und Immigranten richteten, hat gewirkt, zumindest in England und Wales. (…) Auf einer Welle von Bullshit sind die Briten in die größte politische Krise ihrer Nachkriegsgeschichte gesteuert. In diesem Referendum haben Fakten keine Rolle gespielt, die Wahlbürger wurden für dumm verkauft.“[v]

Ignoriert wird dabei zunächst, dass es sehr wohl auch linke Befürworter des Brexits gab, die andere Gründe für ihre Entscheidung nannten. Für ein "Leave" trat etwa die „Allianz zum Kampf für ein Nein zur EU-Mitgliedschaft Britanniens“ ein, dem die Eisenbahnergewerkschaft RMT, ein Personenbündnis Gewerkschafter gegen die EU sowie die Kommunistische Partei Britanniens angehörten. Kritisiert wurden von der Allianz der undemokratische Charakter der EU, die von ihr ausgehende Demontage von Arbeiterrechten sowie ihre Flüchtlingspolitik. In diesem Zusammenhang interessant ist die Beobachtung von Paul Mason, dem Autor des Buches Postkapitalismus – Grundrisse einer kommenden Ökonomie: „In den letzten Wochen der Kampagne – als 24 Prozent der Wähler noch unentschieden waren- reiste ich viel herum und erlebte vielerorts, wie Leute aus der Arbeiterklasse selbstbewusst und intelligent für den Brexit plädierten. Mein Eindruck ist, dass die entscheidenden Prozente der Leave-Stimmen von links orientierten Arbeitern oder Angestellten kamen, die sich schließlich ihrer Umgebung anschlossen.“[vi] Diese Beobachtung widerspricht der von Krätke und anderen aufgestellten Behauptung, dass sich die Wahlbürger generell „für dumm“ verkaufen ließen.

Und was die Bedeutung des Themas Zuwanderung angeht, so sagt der griechische Ökonom und Politiker Costas Lapavitsas, der als Professor an der Universität London die Auseinandersetzung vor Ort verfolgt hatte: „Zweifellos hat das Leave-Camp um Johnson und Farage im Verlauf der Kampagne mit dem Thema Migration reiche Ernte eingefahren. Dennoch macht es keinen Sinn, das Ergebnis des Referendums mit Rassismus und Feindseligkeit gegen Migranten gleichzusetzen. Wenn man die Reaktion der Arbeiter und der Armen hinsichtlich der Migration verstehen will, ist es zunächst wichtig, sich die Migrationsströme anzusehen.“[vii] In den letzten 12 Jahren hat sich die Zahl der Einwanderer aus der EU mehr als verdoppelt auf jetzt 3,4 Millionen. Allein 2015 verlegten 180.000 Personen von dort ihren Wohnsitz nach Großbritannien. Auch die Zahl der nicht aus der EU stammenden Einwanderer – vor allem aus dem Commonwealth - erhöhte sich stark. Seit 2004 stieg sie von 3,7 auf 5,5 Millionen. Vor allem aufgrund dieser Zuwanderungen ist die Wohnbevölkerung des Vereinigten Königreichs, nachdem sie zwischen den frühen 1970er Jahren und 1993 praktisch stagnierte, von 57 Millionen im Jahr 1993 auf über 65 Millionen Einwohner im Jahr 2015 angestiegen. Nicht mitgewachsen aber sind ausreichender und vor allem bezahlbarer Wohnraum sowie die Kapazitäten in der sozialen Infrastruktur, bei Kindertagestätten und Schulen als auch im National Health Service (NHS). Selbst der öffentliche Nahverkehr ist in London, längst an seine Grenzen gestoßen.

Diese verheerende Entwicklung war ausdrücklich gewollt. Es war die britische Regierung, die in der EU niemals mehr als eine möglichst große Freihandelszone sehen wollte und sich deshalb für die schnelle Aufnahme der ostmitteleuropäischen Länder einsetzte. Bedenken wegen der Massenimmigration osteuropäische Arbeitskräfte und eines von ihr verursachten Lohndrucks hatte die Labour-Regierung unter Blair stets beiseite gewischt. Nur Großbritannien, Irland und Schweden hatten die nach den Beitrittsverträgen mögliche siebenjährige Übergangsfrist zur quantitativen Begrenzung der Einwanderung aus den ostmitteleuropäischen Ländern nicht genutzt – mit dem Effekt, dass die Immigration aus diesen Ländern sich auf das Vereinigte Königreich konzentrierte. Anders verhielten sich hingegen Deutschland und Österreich: Den 2004 beigetretenen Ländern gewährten sie die Arbeitsnehmerfreizügigkeit erst 2011, für das 2007 hinzugekommenen Rumänien und Bulgarien sogar erst 2014. Zu den schärfsten Kritikern der Ausnutzung dieser Übergangsregelungen durch die Bundesregierung gehörte seinerzeit die PDS. Im Mai 2006 erklärte etwa der PDS-Fraktionschef im sächsischen Landtag Peter Porsch "die Einschränkung der Arbeitnehmer-Freizügigkeit durch die deutsche Seite für falsch".[viii] Auch die Senatoren der PDS im damaligen Rot-Roten Berliner Senat sprachen sich gegen die Anwendung dieser Übergangsregelungen aus. Grundlage für diese Haltung war die Einschätzung, dass die Personenfreizügigkeit eine „gute Grundfreiheit“ sei, da sie im Interesse „der Menschen“ geschaffen wurde, im Gegensatz zu den „negativen Grundfreiheiten“ des ungehinderten Verkehrs von Waren, Dienstleitungen und Kapital. Doch das zeugt von Unkenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge, gehört doch auch der freie Verkehr von Personen zu den marktradikalen Binnenmarktfreiheiten und stellt zusammen mit ihnen eine untrennbare Einheit liberaler Werte dar. Und natürlich nutzt die Personenfreizügigkeit vor allem den Kapitalisten, die so ungehindert Arbeitskräfte in der gesamten EU für sich rekrutieren können. Brain-drain, das Anwerben von qualifizierten Arbeitskräften im Ausland, und Lohn- und Sozialdumping im Inland sind die Folgen.

Dank der ungehinderten Einwanderung aus EU-Ländern stellte der britische NHS schon vor Jahren die Ausbildung von Krankenschwestern und Pflegern im Großraum London ein, so dass die im Land geborenen Jugendlichen das Nachsehen hatten. Inzwischen stammen 55.000 Beschäftigte des NHS aus dem Ausland. Paul Mason nennt weitere Beispiele: „Die Belegschaften von Abfüll- und Verpackungsfabriken bestehen zu 43 Prozent aus Migranten, in der Fertigungsindustrie sind es 33 Prozent. Ein Getränkehersteller in London hat seine ganze Belegschaft in Litauen angeheuert.“ All das führte zu einem verstärkten Lohndruck. Doch die millionenfache Auswanderung aus Ost- und Südosteuropa hat auch große negative Folgen für diese Regionen und verhindert die ökonomische und soziale Konvergenz der Lebensverhältnisse innerhalb der EU. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Internationalen Währungsfonds (IWF): „Allein zwischen 1990 und 2012 haben den Berechnungen zufolge knapp 20 Millionen Menschen Ost- und Südosteuropa in der Regel Richtung Westen verlassen. Das sind mehr als 5 Prozent der Bevölkerung. Viele der Auswanderer sind gut ausgebildet.“[ix]

Die Volksabstimmung in Großbritannien „war die Gelegenheit, es schließlich laut zu sagen: Wir haben die Schnauze voll – von der Trostlosigkeit, von heruntergekommenen Geschäftsstraßen ohne Geschäfte, von Minijobs mit Minilöhnen, von den Lügen und Angstmache der politischen Klasse. (…) Den stärksten Zulauf hatte sie (die Brexit-Kampagne, A.W.) in solchen Kleinstädten: grau in grau, Niedriglohnjobs und gerade so viele ausländische Migranten, dass alle dachten, was die Ökonomen bestätigten, dass die Einwanderung aus Osteuropa die Niedriglöhne weiter drückt.“ [x]

Der Erfolg der populistischen Rechten unter Arbeiterwählern bedeutet aber noch lange nicht, dass diese nun rassistisch und ausländerfeindlich geworden sind. Der Aufstieg der Rechten ist vielmehr Ergebnis des überall in Europa zu spürenden Abrückens der Sozialdemokratie - aber auch vieler sich links von ihnen verortender Kräfte – von ihrer originären Aufgabe der Interessensvertretung der Lohnabhängigen und der sozial Entrechteten. An ihre Stelle traten soziokulturelle Forderungen wie die Ehe für Homosexuelle, von mehr biologisch angebauten Lebensmitteln oder nach einer Frauenquote in Unternehmensvorständen. Diese „modernen“ Themen bewegen zwar den linksliberalen Mittelstand, haben aber „für die da unten“ vor dem Hintergrund ihrer Lebenslage weniger Bedeutung. Die Befürwortung der Globalisierung sowie der Europäisierung durch die neuen sozialdemokratischen Eliten wird von ihnen als Bedrohung wahrgenommen.

Bereits bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 war UKip mit 26 Prozent erfolgreichste britische Partei geworden. Bei den Kommunalwahlen im Mai dieses Jahres schaffte sie es, Labour in vielen Arbeiterstädten als stärkste Partei zu verdrängen. Es ist fraglich, ob die Sozialdemokraten das verlorengegangene Vertrauen ihrer Stammwählerschicht jemals wieder zurückgewinnen können. Zu tief sitzt die Enttäuschung über die neoliberale Politik, wie sie von Labour seit den Tagen von Blair verfolgt wurde. Ein Hoffnungszeichen stellt die Übernahme des Parteivorsitzes durch Jeremy Corbyn dar. Die Brexit-Kampagne brachte ihn aber in eine wenig komfortable Lage, denn seine EU-skeptische Position konnte er nicht offenlegen, dafür hatte er in der Partei keine Mehrheit. Zugleich warf man ihm innerparteilich eine nur sehr verhaltene Unterstützung des "Remain"-Lagers vor, worin man einen Grund für die Niederlage sah. Nach der Entscheidung vom 23. Juni wurde denn auch sein Rücktritt vom Parteivorsitz gefordert, und in der Unterhausfraktion wurde ihm mit 40 gegen 172 Stimmen das Misstrauen ausgesprochen. Um die Lähmung der Partei zu überwinden, wird im Herbst erneut über den Parteivorsitz in einer Urabstimmung entschieden. Dann wird sich zeigen, ob Corbyn das in der Austrittskampagne entstandene Momentum für eine nachhaltige Linkswende der Partei nutzen kann, schließlich hatten sich nicht weniger als 30 Prozent der Labour-Wähler im Widerspruch zur Parteiführung für den Brexit ausgesprochen. Aber auch eine Spaltung der Partei ist möglich.

Wie schon zuvor bei Krisen der EU, so wird auch jetzt wieder in einem „Mehr an Europa“ die Antwort gesucht. So war es bereits nach der Ablehnung des Verfassungsvertrags 2005. Jetzt meldete sich sogleich der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, zu Wort: „Wir werden nicht umhinkommen, die Europäische Kommission künftig zu einer echten europäischen Regierung umzubauen, einer Regierung, die der parlamentarischen Kontrolle des Europaparlaments und einer zweiten Kammer, bestehend aus Vertretern der Mitgliedstaaten unterworfen wird.“[xi] Auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras witterte Morgenluft. Er rief nach einem Europa „der Solidarität und des aufrichtigen Zusammenspiels von Völkern und Staaten.“[xii] Irgendwelche Chancen auf Realisierung hat das alles aber nicht. In den europäischen Entscheidungszentren gibt es keinerlei Bereitschaft, ausgerechnet in dieser Krisensituation die Änderung der Verträge anzugehen.

Heute lässt es sich noch nicht übersehen, welche Konsequenzen der Brexit haben wird. Doch bereits jetzt steht fest: Der Bankenplatz London ist geschwächt, was für die internationalen Finanzmärkte einen Rückschlag bedeutet. Das Schicksal des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP, aus dem nach Hillary Clinton eine „Wirtschafts-Nato“ entstehen soll, ist ungewiss geworden. Mit diesem Abkommen soll der Westen auf zwei verlässliche Säulen – die USA und die EU – gestellt werden. Nach Ruprecht Polenz, früherer CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, „kann der Westen mit diesem Abkommen die Normen setzen, die wir für richtig halten.“ Nach 1945 sei es ihm – so Polenz - immer wieder gelungen, Werte wie Freiheit, Aufklärung und Menschenrechte weltweit zu verankern. „TTIP ist die Chance, diese Tradition fortzusetzen.“[xiii] Das geplante Abkommen richtet sich damit eindeutig gegen China und andere aufsteigende Schwellenmächte. Doch diese angestrebte Stabilisierung der Weltherrschaft des Westens ist nach dem 23. Juni schwieriger geworden, der der Pfeiler EU beginnt zu bröckeln.

Das beklagen aber auch manche Linke. So beschuldigt Krätke die britischen Eliten, die für den Brexit eintraten, „ihre ganze Hoffnung auf den Nationalstaat gesetzt zu haben“, sie hätten dabei „leider die Banalität nicht begriffen, dass ein schief und nur halb zu Ende gebauter Staatenbund, ein fragiles supranationales Gebäude, mit all den Auswüchsen, die die EU heute aufweist, den globalen Kapitalismus von heute nicht steuern und schon gar nicht regieren kann. Ein Nationalstaat aber, der nur in der Einbildung seiner Einwohner noch irgendwie ῾groß῾ ist, wie der Kleinstaat Großbritannien – oder was davon bleibt - , kann das noch weniger.“[xiv] Und für den Co-Fraktionsvorsitzenden der Partei Die Linke im Bundestag, Dietmar Bartsch, steht fest: „Natürlich hat Europa nur gemeinsam eine Chance; das ist doch völlig klar. China, Japan und Nordamerika: Hinsichtlich der Anzahl der Menschen sind das doch andere Dimensionen. Kleinstaaterei wird hier doch überhaupt keine Lösung sein können.“ Doch das könnten nach Bartsch die heutigen deutschen Eliten nicht mehr erkennen, denn nach ihm war „der letzte europäische Kanzler in diesem Land Helmut Kohl, und ich bedaure das sehr“ [xv] Domenico Losurdo bezeichnet solche Linke treffend als „imperiale Linke“.

Mit der Entscheidung vom 23. Juni haben die Bürger Großbritanniens das Tor zur Rückgewinnung der Souveränität ihres Landes aufgestoßen. Die linke Zeitung Morning Star hat sehr genau beschrieben, um was es ging: „Eine Stimme für Verlassen bringt heute nicht den Sozialismus. Aber sie wäre ein Schritt hin zur Wiederherstellung von demokratischer Kontrolle über unsere Wirtschaft, und sie würde ein Hindernis für Fortschritt beseitigen.“[xvi] Diesen Weg werden auch die übrigen EU-Staaten beschreiten müssen. Erst anschließend kann überhaupt erst wieder über einen möglichen Sozialismus gesprochen werden.

Erschienen in: Marxistische Blätter 5_16

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[i]Vgl. zur Rolle Großbritanniens in der EU: Andreas Wehr, Eine besondere Beziehung in: Junge Welt vom 23.06.2016 http://www.andreas-wehr.eu/eine-besondere-beziehung.html

[ii] Der Brexit-Schaden für Europa wäre erheblich, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 14.06.2016

[iii] Hans-Werner Sinn, Deutschland ist der größte Verlierer, in: Handelsblatt vom 1./2./3.07.2016

[iv] Ces quelques semaines où l´europe a perdu la manche…, in: Rupture Nr. 57 S. 4

[v] Michael R. Krätke, Voller Hass und ohne Plan: Ein Land im Schockzustand, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 8/2016, S. 34

[vi] Paul Mason, Es ging nicht um Europa, in Le Monde Diplomatique, Juli 2016, S. 5

[vii] Costas Lapavitsas, Warum Brexit? in: Lunapark21, 34/2016, S. 40

[viii] http://www.chefduzen.de/index.php?topic=5745.0;wap2

[ix] Der hohe Preis der Auswanderung, in: FAZ vom 22.07.2016

[x] Paul Mason, Es ging nicht um Europa, a.a.O., S. 4

[xi] Martin Schulz, Mit Herzblut und Leidenschaft, in: FAZ vom 04.07.2016. Diese Forderung hatte Schulz bereits 2013 in seinem Buch „Der gefesselte Riese. Europas letzte Chance“ erhoben, vgl. dort S. 154

[xii] Kein „Grexit“ nach „Brexit“, in: Junge Welt vom 28.06.2016

[xiii] http://www.taz.de/!5038094/

[xiv] Michael R. Krätke, Voller Hass und ohne Plan: Ein Land im Schockzustand, a. a. O., S. 38

[xv] Dietmar Bartsch, Deutscher Bundestag, 181. Sitzung vom 28.06.2016, Stenografischer Bericht, S. 17886

[xvi] www.morningstaronline.co.uk

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