Die kurze Liaison des westlichen Marxismus mit den sich real vollziehenden Kämpfen der Dritten Welt

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Zum Buch von Domenico Losurdo „Der westliche Marxismus – wie er entstand, verschied und auferstehen könnte“

Vortrag von Andreas Wehr in der MASCH - Wedel

Der im Juni 2018 verstorbene italienische Historiker und Philosoph Domenico Losurdo war einer der wichtigsten marxistischen Theoretiker weltweit. 2017 erschien sein Buch „Il marxismo occidentale. Comme nacque, come morì, come può rinascere“. Seit dem Frühjahr dieses Jahres liegt die deutsche Übersetzung mit dem Titel Der westliche Marxismus – wie er entstand, verschied und auferstehen könnte vor.[1]

Darin geht der Autor der Frage nach, wie sich der beispiellose Niedergang einst mächtiger kommunistischer und sozialistischer Bewegungen in Westeuropa erklären lässt.

Eine Frage, mit der er sich bereits in früheren Büchern befasst hatte: „Wenn die Linke fehlt … Gesellschaft des Spektakels, Krise, Krieg“ von 2014, „Der Klassenkampf oder die Wiederkehr des Verdrängten?“ von 2013, sowie in „Stalin – Geschichte und Kritik einer schwarzen Legende“ aus dem Jahr 2012. Manches von dem darin Beschriebenen findet sich im „Westlichen Marxismus…“ wieder – nun aber verdichteter, polemischer und philosophisch tiefer durchdacht.

Der italienische Historiker und Philosoph Domenico Losurdo gehörte zu den wenigen marxistischen Theoretikern, die die Auflösung des sozialistischen Staatensystem in Europa 1989/91 nicht als Scheitern, sondern als Niederlage des Sozialismus ansahen. Seine Begründung dafür lautete: Während Scheitern ein total negatives Urteil impliziert, bedeutete Niederlage ein partiell negatives Urteil, das auf einen bestimmten historischen Kontext Bezug nimmt und es ablehnt, die Realität zu verdrängen.

Welche Realität sollte dabei nicht verdrängt werden? Er fragte, wie man bei der Annahme eines Scheiterns „das Aufkommen und die weitere Entwicklung des Sozialstaats im Westen überhaupt verstehen“ könne, schließlich sei beides ohne Kenntnis des „revolutionären Zyklus, der vom Jakobinismus zum Kommunismus“ hinführte, nicht nachvollziehbar.

Noch fragwürdiger war für ihn die Kategorie des Scheiterns, blickt man über die westlichen Gesellschaften hinaus. Bei der Annahme eines „Scheiterns“ würde man die Realität von Ländern wie Vietnam und Kuba, vor allem aber des Riesenlandes China verdrängen, die sich alle weiterhin auf den Sozialismus berufen.  

Für Losurdo konnte es zudem keinen Zweifel an der Legitimität des „Roten Oktober“ geben, folgte dieser doch als humanitäre Antwort auf das Versagen der demokratisch-liberalen Systeme im ersten Weltkrieg. Erst die „Wende Lenins“ öffnete den Ausweg aus dieser Nacht. Von der russischen Revolution sollte die Initialzündung für einen weltweiten Umsturz ausgehen.

Doch die Revolution im Westen blieb bekanntlich aus. Im Osten und Süden hielt sich hingegen der revolutionäre Impuls. In Ostasien erstarkte er in den 1930er-Jahren im Abwehrkampf gegen den japanischen Imperialismus. Revolutionen in China, Korea und Vietnam wurden so möglich. Auch in Lateinamerika, in der arabischen Welt und in Teilen Afrikas blieb der Impuls des Roten Oktober lebendig. Sichtbarster Ausdruck davon war die kubanische Revolution 1959.

Mit dem Untergang der Sowjetunion und des europäischen sozialistischen Staatensystems ist daher für Losurdo die Geschichte des realen Sozialismus keineswegs vorüber. Mit der Volksrepublik China existiert weiterhin ein mächtiges Land, das aus einer antikolonialen Revolution hervorging, von einer kommunistischen Partei regiert wird und sich auf dem Weg zum Sozialismus sieht. Und es gibt Vietnam, dessen jahrzehntelangen Befreiungskampf der Autor ausführlich würdigt. Zudem existiert das sozialistische Kuba, das sich seit mehr als 60 Jahren dem brutalen Embargo der USA widersetzt. Der Marxismus des Ostens lebt!

Ganz anders der westliche Marxismus. Über Jahrzehnte wurde über diesen in Debatten, Proklamationen und Büchern von Philosophen, Schriftstellern und Politikern gesprochen, geschrieben und gestritten, ohne dass er irgendeine Chance auf Verwirklichung hatte. Kurz vor dem Untergang der Sowjetunion schöpfte er noch einmal Hoffnung, weil sich das Land des „Roten Oktober“ zu reformieren schien. Der Eurokommunismus in Italien, Frankreich und Spanien markierte dann das letzte Aufbäumen des westlichen Marxismus, bevor er - nicht ganz unerwartet - verschied. Die einst einflussreichen kommunistischen Parteien des europäischen Westens sind mittlerweile bis auf wenige zerfallen oder haben sich zu sozialdemokratischen, wenn nicht sogar zu liberalen Parteien gewandelt.

Der Autor sieht dabei den Ausgangspunkt des westlichen Marxismus im Frühwerk Georg Lukàcs und vor allem in den Schriften von Ernst Bloch nach Ende des ersten Weltkriegs. Was Lukàcs angeht, so unterscheidet Losurdo allerdings zwischen dessen Schrift „Geschichte und Klassenbewusstsein“ von 1923 und dem Buch aus dem Jahr 1924, das Lukàcs Lenin gewidmet hat. Darin sei „die revolutionäre Rolle der `vom Kapitalismus unterdrückten und ausgebeuteten Nationen´ analysiert und präzise beschrieben“ (140) worden.

In der Tradition des westlichen Marxismus stehen dann später die wichtigsten Vertreter der Frankfurter Schule. Losurdo setzt sich in diesem Zusammenhang ausführlich mit Herbert Marcuse, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno auseinander.

Worin liegen aber die Gründe für diese Auseinanderentwicklung von Ost und West? Ausgangspunkt ist für Domenico Losurdo das Jahr 1917: „Die Oktoberrevolution war zum Sieg gelangt, indem sie im Westen zur sozialistischen und im Osten zur antikolonialen Revolution aufrief.“ (60) Doch die westliche sozialistische Revolution blieb aus. Ganz anders die antikoloniale Revolution, „die hatte man – so Losurdo - nie aus den Augen verloren, nun wurde sie in kurzer Zeit unerwartet zentral und vom westlichen Marxismus mit Argwohn betrachtet“. (60)

„Über die nationale (und koloniale) Frage – so Losurdo - begann sich in der Epoche des Imperialismus eine spürbare Unterscheidung zwischen westlichem und östlichem Marxismus abzuzeichnen.“ (59) Losurdo würdigt dabei den Weitblick Lenins: „Die schon bei Lenin selbst mühselige und nicht von Schwankungen freie Erkenntnis von der andauernden und wachsenden Bedeutung der kolonialen und nationalen Frage traf, trotz des Sieges der Oktoberrevolution und ihres sozialistischen und internationalistischen Pathos, auf starke Widerstände in den Kreisen der marxistischen und kommunistischen Linken in Europa.“ (57)

Grund dafür war, dass sich die westliche Linke am Ende des ersten Weltkriegs in einer besonderen politischen und nicht zuletzt psychologischen Situation befand: Das Massenmorden an den Fronten im Weltkrieg hatte in Europa Millionen Menschen die Niedertracht, Ruchlosigkeit und Brutalität der europäischen imperialistischen Staaten vor Augen geführt und zugleich eindrucksvoll die historische Überkommenheit des Kapitalismus als auch des staatlichen Zwangsapparats gezeigt: Nicht die koloniale oder nationale Befreiung einzelner Länder stand daher auf der Tagesordnung, sondern die Weltrevolution!

Und die konnte ihren Mittelpunkt - nach erfolgter Initialzündung in Russland – doch nur im westlichen Europa haben. Die nationale Befreiung der Kolonialländer wurde demgegenüber als nachrangig, ja geradezu illusionär angesehen: „Bewies der 1914 ausgebrochene gigantische Kampf um die Welthegemonie zwischen den gegnerischen imperialistischen Bündnissen nicht die Don-Quichotterie des Versuchs der einen oder anderen unterdrückten Nation, ihre nationale Unabhängigkeit zu erlangen? Was vermochte David gegen Goliath? Wenn sie wunderbarerweise doch dazu gekommen wäre, ihre politische Unabhängigkeit zu erlangen, würde sie doch ökonomisch abhängig bleiben und müsste weiterhin auf die eine oder andere Art die von der einen oder anderen Macht ausgeübte Unterdrückung ertragen. Folglich bestand das wirkliche Problem doch darin, ein für alle Mal, für immer und weltweit dem kapitalistisch-imperialistischen System ein Ende zu setzen.“ (58)

Mit Ironie polemisiert ein damals noch völlig unbekannter vietnamesischer Student auf dem Gründungsparteitag der Französischen Kommunistischen Partei 1920 in Tours gegen diese eurozentristische Weltsicht. Der Student sagte dort: „Genossen, ich wäre gerne gekommen, um mit Euch mitzuarbeiten am Werk der Weltrevolution, aber mit größter Trauer und tiefster Verzweiflung komme ich heute als Sozialist, um gegen die abscheulichen Verbrechen zu protestieren, die in meinem Heimatland begangen werden.“ (50) Der Redner sollte Jahrzehnte später unter dem Namen Hoh Chi Minh Weltgeschichte schreiben.

Das Unverständnis bzw. die Geringschätzung des antikolonialen und auf nationale Befreiung gerichteten Kampfes durchzieht die gesamte Geistesgeschichte des westlichen Marxismus. Domenico Losurdo weist dies in den Werken von mehr als einem Dutzend Philosophen, Schriftstellern und Politikern nach, von Hannah Arendt bis Slavoj Zižek nach. Er demonstriert dabei sein immenses Wissen und seine souveräne Sicht auf all diese Denker, von denen zwar nur wenige als Marxisten bezeichnet werden können, die aber Einfluss auf den westlichen Marxismus nahmen. Vor allem auf Ernst Bloch geht Losurdo ausführlich ein. In ihm sieht er den Begründer einer „Religion des Westens“. Auf einer christlich-jüdischen Tradition aufbauend, schwingen in seinem Werk „nicht selten messianische Motive mit (die Erwartung eines 'Kommunismus', mit dem jeglicher Konflikt und Widerspruch verschwinden sollte, damit eine Art 'Ende der Geschichte').“ (258)

Auch Hannah Arendt nimmt im Buch Losurdos eine herausgehobene Rolle ein. Sie war eine Philosophin, die als verfolgte Jüdin anfangs von der emanzipatorischen Ausstrahlung der Sowjetunion fasziniert war. Im US-amerikanischen Exil wurde sie mit der bis heute vorherrschenden Gleichsetzung von Hitlerfaschismus und Sowjetunion als „totalitäre Systeme“ schlechthin zu der Kronzeugin des Antikommunismus. Ihr, aber auch Herbert Marcuse, wirft der Autor des Buches vor, vollkommen verkannt zu haben, dass es sich bei dem gigantischen militärischen Ringen zwischen Nazideutschland und der Sowjetunion im Kern um nichts anderes als um den Kampf zwischen antikolonialer und nationaler Befreiung einerseits und imperialistischer bzw. kolonialer Versklavung andererseits ging. Es war es doch das erklärte Ziel Hitlers – so Losurdo - „für Deutschland ein Kolonialreich auf dem Kontinent errichten zu wollen“ (57), das deutsche Indien. Er war es, „der den größten Kolonialkrieg der Geschichte“ entfesselte (160).

Als Flüchtlinge in den USA konnten bzw. wollten aber weder Arendt noch Marcuse sich eingestehen, dass vieles von dem, was Nazideutschland dabei zur tödlichen Perfektion entwickelte, eine brutale Radikalisierung von Ideologien und Praktiken des westlichen Imperialismus und Kolonialismus war, wie man sie aus Frankreich, Großbritannien und vor allem aus den USA kannte. So hat Hitler die in den USA bis in die 1860er Jahre hinein praktizierte rigorose Rassentrennung stets als Vorbild für das Dritte Reich angesehen und die ihr zugrunde liegende Ideologie der „white supremacy“ bewundert.

Seit Anfang der 1970er Jahre trafen die Ansichten Arendts, wie sie vor allem im dritten Teil ihres Werks Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft dargelegt sind, „auf keinen Widerspruch in Kreisen des westlichen Marxismus, der nun in seinem Endstadium ankam“. (166) „Der westliche Marxismus hat es nicht verstanden, sich dieser ideologischen Operation zu widersetzen.“ – so der Vorwurf Losurdos. (161) Als Beispiel dafür nennt er das im Jahr 2000 vorgelegte Werk Empire. Die neue Weltordnung von Michael Hardt und Antonio Negri in dem die beiden Autoren die These Arendts „wonach der Kolonialismus und der Imperialismus den USA fremd gewesen seien, (…) unkritisch wieder aufgenommen“ haben. (169)

Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts schien es so, als habe der westliche Marxismus seine Lektion gelernt, indem er den antikolonialen und antiimperialistischen Befreiungsbewegungen endlich jenen Stellenwert einräumte, den sie verdienen. Es war die Zeit der Solidarität mit der Revolution in Kuba und mit dem Kampf der algerischen Nationalen Befreiungsfront. Vor allem aber war es das Moment der Verurteilung eines von den USA rücksichtslos geführten Krieges, mit dem sie die Herstellung der nationalen Einheit Vietnams unter sozialistischen Vorzeichen verhindern wollten. Auch die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel wurde in jenen Jahren zu einem Thema der westlichen Linken. Später kam die Unterstützung der Sandinisten in Nikaragua hinzu. In jener Zeit bekannte sich mit Herbert Marcuse sogar ein Vertreter der kritischen Theorie zum Antiimperialismus. Losurdo zitiert ihn mit den Worten: „'Der Krieg in Vietnam (hat) zum ersten Mal das Wesen der bestehenden Gesellschaft enthüllt' und das heißt 'die ihr innewohnende Notwendigkeit der Expansion und Aggression'“. (119)            

Doch die Liaison des westlichen Marxismus mit den sich real vollziehenden Kämpfen der Dritten Welt um ihre antikoloniale und nationale Befreiung hielt nur wenige Jahre. Nach den schließlich dort errungenen Siegen erlahmte im Westen das Interesse. Als sich diese Länder „den Mühen der Ebenen“ (Bertolt Brecht) gegenübersahen, sie daran gehen mussten, den ökonomischen Aufbau ihrer vom Krieg verwüsteten Länder in Angriff zu nehmen, zogen sich viele westliche Linke desinteressiert zurück. Nicht wenige von ihnen entwickelten sogar eine tiefe Feindseligkeit gegenüber den befreiten Ländern, entsprachen sie doch nicht mehr ihren hehren Idealen.

Mit Unverständnis reagierten diese „schönen Seelen“ darauf, dass dort nicht der Staat einfach „abstarb“ und jene von Marx und Engels im Kommunistischen Manifest angekündigte „freie Assoziation“ der Produzenten an seine Stelle trat, sondern vielmehr ein starker und autoritärer Staat errichtet wurde, der dem westlichen Verständnis von Zivilgesellschaft und individueller Freiheit wenig Raum ließ.

Was versteht Losurdo unter „schönen Seelen“? Er gebraucht den Begriff im Sinne Hegels. Hegel greift in seiner Phänomenologie des Geistes den Begriff der „schönen Seele“ kritisch auf und bezeichnet ihn als einen Typus, der sich selbst den Zustand der Unschuld bewahrt, aber um den Preis, nichts in der Welt zu bewirken, „nicht zum Dasein [zu] gelangen“. Diese „wirklichkeitslose“ schöne Seele, so Hegel, „zerfließt in sehnsüchtiger Schwindsucht“.

Der starke und autoritärer Staat war nötig, denn nur so waren die antiimperialistischen Revolutionen zu sichern, kam es unter allen Umständen auf die Bewahrung politischer Stabilität an. Mit Befremden wurde und wird zudem kritisch registriert, dass viele dieser Länder bei der Gleichstellung der Frauen und der Nichtdiskriminierung sexueller Minderheiten nicht den Standards einiger Länder des Westens entsprachen.

Schon gar nicht waren die „schönen Seelen“ damit einverstanden, dass diese Staaten nicht ihren Idealen von einer klassenlosen Gesellschaft, errichtet auf gesellschaftlichem Eigentum an den Produktionsmitteln, entsprechen wollten, sondern auf marktwirtschaftliche, ja sogar staatskapitalistische Methoden zurückgriffen, um die ökonomische Entwicklung schneller voranzubringen. Erst China, dann Vietnam und schließlich auch Kuba schlugen ja diese Richtung ein.

In den Augen nicht weniger westlicher Linker waren somit die antiimperialistischen Revolutionen am Ende vergeblich gewesen, hatten nichts Neues unter der Sonne hervorgebracht. Die „Vergeblichkeit“ ist aber ein steter Begleiter christlich-jüdischen messianischen Denkens, bekanntlich ist das Reich des Erlösers „nicht von dieser Welt“.

Der westliche Marxismus ist nach Losurdo in den Jahren nach 1989/91 ohne viel Aufsehen verstorben. Seine früheren Exponenten wandten sich der alten und neuen „Religion des Westens zu: ex Occidente lux et salus!“ (141). Aus dem Westen kommt das Licht und das Wohl!

In Deutschland haben nicht wenige, die einstmals gläubig nach Peking, Pjöngjang, Havanna, Tirana, ja selbst nach Phnom Penh blickten, Karriere bei den Grünen gemacht, etwa Reinhard Bütikofer. Als Student war er Mitglied des maoistischen Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW). Heute verteidigt er als Mitglied des Kuratoriums der Berliner Dependance des US-amerikanischen Aspen-Instituts die US-amerikanische imperialistische Menschenrechtspolitik. Und als grüner Europaparlamentarier gehört er zu den entschiedensten Feinden der Volksrepublik China. (er ist einer der Initiatoren der Sanktionen des EP gegen China zur Bestrafung der Politik der Volksrepublik gegenüber den Uiguren)

Nach Domenico Losurdo bedarf es daher des vollständigen Bruchs mit diesem Denken, will der westliche Marxismus wieder auferstehen. Dabei kann er sich an Gesellschaften wie der chinesischen orientieren: „Der Messianismus fehlt (…) weitgehend in einer Kultur wie der chinesischen, die in ihrer tausendjährigen Entwicklung vor allem durch ihre Aufmerksamkeit für die weltliche und soziale Realität gekennzeichnet ist.“ (258)

Überwunden werden müsse auch die Vorstellung, dass der globale Süden lediglich die „Peripherie“ eines Zentrums darstellt, das unverrückbar im Westen liegt. Die unterschiedlichen Marxismen der Kulturen und Länder der Welt müssen vielmehr sowohl in ihrer Eigenständigkeit als auch als Teile des Ganzen verstanden werden, entsprechend der Hegelschen These, dass das Wahre das Ganze ist. Dies ist vielleicht die wichtigste Botschaft, die uns der Hegelianer Domenico Losurdo hinterlassen hat.       

Ein so erneuerter westlicher Marxismus wird sich einfügen müssen in die unterschiedlichen Marxismen der Kulturen und Länder der Welt. Er muss Teil des Ganzen werden entsprechend der Hegelschen These, dass das Wahre das Ganze ist.                  

 

[1] Die in Klammern gesetzten Zahlen im Text beziehen sich auf Seiten im Buch von Domenico Losurdo „Der westliche Marxismus. Wie er entstand, verschied und auferstehen könnte“, PapyRossa Verlag Köln, 2021

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