Anti-virale Impfstoffproduktion in Pflanzen

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Es hört sich verrückt an - ist es aber nicht. Wissenschaftler eines Forschungszentrums in Barcelona gehen einen ungewöhnlichen Weg zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Virus SARS-CoV-2. Sie nutzen ihre Expertise in der Pflanzen-Biotechnologie und der Virologie, um Antigene gegen SARS-CoV-2 zu produzieren, die als Impfstoff eingesetzt werden können. Dazu haben sie ein Team von Kollegen aus verschiedenen Forschungszentren zusammengestellt, darunter das Nationale Zentrum für Biotechnologie (CNB) in Madrid, das Institut für Molekular- und Zellbiologie von Pflanzen (IBMCP) in Valencia und das Zentrum für Bodenkunde und angewandte Biologie (CEBAS) in Espinardo (Murcia). Zur Durchführung von Validierungs-Studien in Mäusen und Zellkulturen wird ein Immunologe mit Expertise für das Corona-Virus hinzugezogen.

Zur Vermeidung der bei der üblichen Impfstoffherstellung notwendigen Isolierung und Reinigung des Antigens von humanen Pathogenen (Krankheitserregern) soll ein neues System entwickelt werden. Pflanzen eignen sich dafür besser als Tiere, da sie frei von humanen Pathogenen sind. Zudem ist der Zeit- und Kostenaufwand der pflanzlichen Antigen-Produktion wesentlich günstiger.   

Die Verwendung von Pflanzen zur Heilung von Krankheiten hat eine lange Tradition. Auch die moderne Pharmakologie produziert Medikamente, deren aktive Komponenten ursprünglich in Pflanzen entdeckt wurden. Wildpflanzen werden noch immer im Hinblick auf neue bioaktive Inhaltsstoffe untersucht. Auch die Fähigkeit von Pflanzen, eine Vielzahl verschiedener Moleküle zu generieren, ist seit langem bekannt.

Dank der verfügbaren modernen biotechnologischen Werkzeuge können Forscher heute Pflanzen entwickeln, die neue Komponenten produzieren wie beispielsweise anti-mikrobielle Wirkstoffe. Gemeinsam mit einem Spezialisten für Pflanzenviren haben die spanischen Wissenschaftler bereits gezeigt, dass sich anti-fungale, d.h. gegen Pilze gerichtete Wirkstoffe in der Tabakpflanze Nicotiana benthamiana produzieren lassen. Dazu wurde ein Pflanzenvirus genetisch so verändert, dass es den anti-fungalen Wirkstoff in den Pflanzenblättern produziert.

Dieselbe Strategie beabsichtigen die Forscher jetzt zur Produktion von SARS-CoV-2 Antigenen in Salatpflanzen zu verfolgen. Durch den Verzehr dieser Salatblätter könnte eine "orale Immunisierung" gegen das Virus erreicht werden.

Ein weiter reichender positiver Effekt wäre die leicht realisierbare Möglichkeit, die antigen-haltigen Salatpflanzen in Entwicklungsländern anzubauen, die nicht über die für herkömmliche Impfstoffe notwendige anspruchsvolle Produktionsmethode verfügen. Dies wäre ein Beitrag in großem Maßstab zur Lösung der globalen Krise.

Die spanischen Wissenschaftler haben bereits Erfahrung mit der Herstellung von anti-fungalen Komponenten in schnell wachsenden Hefekulturen, was eine gute Voraussetzung für die industrielle Produktion von SARS-CoV-2-Antigenen innerhalb weniger Tage wäre.

Ein ähnliches Projekt verfolgen Wissenschaftler an der Queensland University of Technology (QUT) in Australien. Sie hatten bereits Jahre vor Ausbruch der COVID-19 Pandemie die DNA-Sequenz der Tabakpflanze Nicotiana benthamiana (auch 'benth' genannt) bestimmt, die jetzt global zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen das todbringende Virus genutzt wird.

Diese alte einheimische Pflanze wurde in Nord- und Zentralaustralien entdeckt. Die Pflanze widersteht sowohl Krankheiten als auch Klimawandel und soll daher gut geeignet sein.

Gemeinsam mit dem European Horizon 2020 Newcotiana Consortium startete das QUT-Team bereits vor drei Jahren ein Projekt zur Entwicklung von Pflanzen als Biofabriken für die Produktion auf Protein basierender Substanzen. Die 'benth'-Pflanze wurde ausgewählt, weil sie doppelt so viele Gene wie normale Pflanzen enthält und damit über das Potential verfügt, größere Mengen hochwertiger Impfstoffe und Antikörper zu produzieren. Die Gen-Sequenz der 'benth'-Pflanze wurde nicht veröffentlicht, sondern anderen wissenschaftlichen Teams zur Entwicklung eines Impfstoffes gegen das gefürchtete Virus zur Verfügung gestellt.

Die Verfügbarkeit von 'Benth' kam zur rechten Zeit und wird inzwischen weltweit als potentielle Vakzin-produzierende Pflanzenfabrik zur Entwicklung Protein-basierender Diagnostika und Impfstoffe in großen Mengen zu niedrigen Kosten genutzt. Die Wissenschaftler sind optimistisch, damit neue und verbesserte Wege zum Kampf gegen die COVID-19-Pandemie wie auch gegen andere neue Virusstämme eröffnet zu haben.

Quellen:

Covid-19: How plant biotechnology can help, in: Centre for Research in Agricultural Genomics (CRAG), 10.04.2020; https://www.cragenomica.es/crag-news/covid-19-how-plant-biotechnology-can-help

Native Australien Plant Paves Way for Vaccine Development Against COVID-19, in: ISAAA Crop Biotec Update, 08.04.2020; http://www.isaaa.org/kc/cropbiotechupdate/article/default.asp?ID=18054  

           

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